Als ich vor zwei Monaten mitbekam, das Julia Neigel unplugged MIT speziellen Gästen im Dreiländereck auftreten will, freute ich mich, die Ausnahmefrau einmal anders erleben zu können und orderte sofort zwei Tickets. Vorne, Orchestergraben. "Hauptsache, wir müssen nicht selbst spielen", flachste Daniela, als wir auf dem Weg nach Bad Elster an dem sächsisch-bayrischen Grenzpunkt direkt an der tschechischen Republik einen Zwischenstopp einlegten. Diesen geografisch wie historisch bedeutenden Ort wollte ich schon lange vor 1989 (von bundesrepublikanischem Boden aus) in Augenschein nehmen, doch irgendwie passte es bis zum gestrigen 5. Mai nie. Umso einfacher war es jetzt, zwischen den ehemaligen Staatsgebieten der BRD, DDR und CSSR hin- und herzuspringen. Nur ein einfacher Holzpflock mitten im Mühlenbächen markiert übrigens diesen Schnittpunkt.

Zirka 10 km später, wir wechselten noch zweimal mit PUNTO die jetzigen Staatsgebiete, erreichten wir das König-Albert-Theater. Nach einer Stärkung im empfehlenswerten "Goldener Anker" und einem Spaziergang durch den Kurpark trafen wir auf alte Bekannte. So verging bis zum Einlass die Zeit mit Plaudereien über vergangene teils gemeinsam erlebte Konzerte wie im Flug. Endlich konnten wir in den Theatersaal, doch wo war der Orchestergraben? Ein freundlicher Mitarbeiter klärte auf: "Die dreißig Stühle werden nur in den Graben gestellt, wenn das Haus mehr als restlos ausverkauft ist. Ansonsten wird der Graben zugedeckt, als Teil der Bühne verwendet und die Gäste sitzen in Reihe 1 und 2." Aha.

Kurz vor 19:30 erklang der Saalgong, die letzten der 340 Besucher, darunter etliche MASCHINE-FanclubmitgliederInnen, auch Leute mit ROCK LEGENDEN-T-Shirts sah ich, nahmen Platz. Uwe Fischer sowie Dennis Hoorns betraten unter großem Beifall die Bühne, ergriffen ihre Gitarren und platzierten sich rechts und links der Bühnenmitte auf ihren Hockern. Jetzt erschien JULIA NEIGEL, passend zum Tournamen gekleidet in Samt und Seide. Den Applaus genoss die Frau sichtlich, als sie in die vielen strahlenden Gesichter der Zuschauer blickte. Ganz nach vorn an den Bühnenrand trat sie, schaute links, winkte rechts ( oder umgekehrt oder beides), begrüßte dabei auch den ein oder anderen mit Handschlag (nur zwei , uns), und bedachte die mit MASCHINE-T-Shirts bekleideten unter uns mit den Worten: "...ja, dieser mir ans Herz gewachsene ganz besondere Mann ist heute auch hier und wird später zusammen mit einem weiteren besonderen Musiker (gemeint war Uwe Hassbecker) gemeinsam mit mir spielen." Doch bis das soweit war, konnten wir einen Querschnitt aus über 40 Jahren Schaffenskraft von Julia erleben. Anders, eben (fast) ohne Strom. "ICH BIN DA" war nach einem Begrüßungsgitarrensolo von Dennis folgerichtig der erste von acht Songs, die Julia bis zur Pause zum Besten gab. Ihre sonst mit kompletter Band rockig vorgetragenen Stücke erhielten mit der Zweigitarrenakustikuntermalung eine ganz neue Dimension. Da hört man mal genau hin. WEIL ICH DICH LIEBE, gebe ich Dich frei... Immer wieder tritt Julia an den Rand, sucht (und findet) die Nähe zu uns Publikum, erfährt nebenbei, das die am weitesten angereisten Fans aus einem brandenburgischen Ort 500 km weit gefahren sind, genau die Strecke, die die Wuesbadenerin ebenfalls für den heutigen Abend zurückgelegt hat. "Besondere Begegnungen mit besonderen Menschen", so die Neigel, sei der Grund, das es mit zwei Covern weitergeht. Für mich war INTO THE GREAT WIDE OPEN vom großen Tom Patty genauso gewöhnungsbedürftig wie Zuccero's IL VOLO. Dann erzählt die Singer/Songwriterin, das es manchmal nur Minuten dauere, bis sie etwas Neues erdacht hat, jedoch durchaus 4 Monate ins Land verstreichen könnten. So wie bei DIE WELT IN DEINEN AUGEN, bei der Julia mit dem Blick eines Babys erzählt. Vor einigen Wochen war die Künstlerin mit u.a. Uwe Fischer mit der MS Artania für die TV-Reihe "Verrückt nach Meer" im PARADIES unterwegs: ""... Ich bin im Paradies. Keine Spur von Finsternis. Seele so schwerelos, Freiheit grenzenlos ..." Ob das nächsten Cover FÜR DICH SOLL'S ROTE ROSEN REGNEN der Knef gefallen hätte - jedenfalls interpretiert Julia diesen Song auf eine neue, ihre Weise...
Das sie für andere, von ihr geschätzten Künstler geschrieben hat, ist hinlänglich bekannt. Einer von ihnen ist Peter Maffays FREIHEIT, DIE ICH MEINE. Julias akustische Version vor der Pause gefällt nicht nur mir und so warten wir bei einem Kaltgetränk ungeduldig auf den zweiten Teil des Konzerts, der nach zwanzig Minuten beginnt. Mit Maffays GIB DIE LIEBE NICHT AUF und einer jetzt in hautenger Glitzerhose agierenden Julia startet die zweite Session. Das neue Outfit passt genau zu dem, worauf wir MASCHINE-Fans gewartet haben. Er und Uwe Hassbecker werden mit einem Riesenapplaus begrüßt. MASCHINE freut sich, das diesmal ER Gast bei IHR sein darf. 2014 zu seinem Record-Releasekonzert zum ersten Soloalbum nach der Wende war es im Berliner Kesselhaus ja umgekehrt. Dort sang Julia mit MASCHINE den feinen Song REGEN im Duett. Doch bevor wir in Bad Elster in den Genuss dieses Liedes kamen, erzählt MASCHINE noch die Entstehung des Pfeifens zu Beginn der Melodie. Seine Vorstellung von einer Geige zu Beginn hatte bekanntlich Uwe anders gesehen. Mit Unterstützung von uns "Pfeifen"  legte der SILLY-Allrounder nun auch los. Klang gut, war gut, drei Gitarren und zwei Stimmen hauchten diesem Schlechtwetterlied ein ganz neues Feeling ein. Das nächste Stück, das Julia bei den Proben zum Kesselhauskonzert erst kennengelernt und dort eher spontan von ihr begleitet wurde, hielt uns dann nicht mehr in unserern Sesseln: NOVEMBER IM MAI. Die Gittareros gaben den Rhythmus vor und alle machten mit. Spektakulär. Jetzt wurde es etwas besinnlich: Die erste Strophe von LEBENSZEIT sang MASCHINE, die zweite Julia und die dritte beide. Was für ein Paar. Bei diesen Lied gefiel mir seit seiner Entstehung im Jahre 1977 besonders der Wechsel- und Gemeinsamgesang von MASCHINE und QUASTER. An diesem Abend habe ich die bisher beste Version erlebt. Frenetischer Applaus, der nicht nur dem ehemaligen Frontmann der PUHDYS galt, wollte nicht verstummen. Brauchte er auch nicht, den mit den EISBÄRN, die nun bejubelt wurden, ging die Party weiter. Selbst Menschen, die ausschließlich Julia und ihre zwei Gitarrenspieler am heutigen Abend sehen wollten, klatschten mit. Die aufgeheizte Stimmung wieder in ruhigere Bahnen zu lenken, gelang MASCHINE mit dem folgenden WAS BLEIBT. Feuerzeuge gingen an, die Arme bedächtig schwingend in die Höhe gehalten lagen wir uns in den Armen, "...sind Freunde im Leben..." Gegen Ende stand MASCHINE auf und trat direkt an den Bühnenrand, Julia tat es ihm gleich und sichtlich berührt lauschte er unserem Alleingesang. Irgendwann verstummte auch dieser und wurde von jetzt tobendem Beifall abgelöst. Alles stand, MASCHINE- und UWE-Rufe gingen in dem "Krach" fast unter. Julia gelang es schließlich, wieder Oberwasser zu erhalten, um sich von ihren musikalischen Gästen liebevoll dankend, umarmend und herzend zu verabschieden. Mit in den Himmel gestreckter Gitarre drehte sich MASCHINE in Richtung Uwe H., ging zum erneuten Winken zu ihm. Jetzt hatte der SILLY-Mann unsere Lacher auf seiner Seite, stellte er sich doch auf den Trittring seines Barhockers, um so groß zu erscheinen wie sein Nachbar. Dann verschwanden die beiden, begleitet von unserem rhythmischen Klatschen. Da dies jedoch nicht enden wollte, rief Julia den beiden nach hinten zu, sie mögen noch einmal rauskommen. Das taten sie auch, doch eine Zugabe war nicht vorgesehen. MASCHINE blickte in unsere immer noch klatschende Runde, beriet sich kurz mit Dennis, rief etwas zu Uwe H. und Uwe F. auf die andere Seite herüber, griff einen Akkord und - "ALT WIE EIN BAUM" wurde improvisiert. Mal eben, einfach so. Wir Publikum dankten es den Musikern mit textsicherem Mitgesang. Dann war der Gastauftritt der beiden Berliner (vorerst) entgültig vorbei. Da wir sowieso schon standen, änderten wir das nicht, als Julia mit ihrem Programm weitermachte: SEHNSUCHT und MADRE DOLCISSIMA schmachtete sie uns zu, bevor auch sie sich mit Dennis und Uwe vor uns zum Abschied verbeugte und hinter der Bühne verschwand. Doch ohne eine Zugabe sollte auch sie nicht in den Nachthimmel entschwinden, fanden wir und mit lautstarken "Zugabe"-Rufen hatten wir die drei Künstler wenig später wieder vor uns. Das 1988 produzierte SCHATTEN AN DER WAND durfte natürlich nicht fehlen. Mit FREI FÜR EWIG als zweite Zugabe sollte es das dann musikalisch für diesen Abend gewesen sein. Zuerst bedankte sich Julia bei ihren beiden Begleitern für das, wie auch ich finde, außergewöhnlich tolle Gitarrenspiel, dann rief sie MASCHINE und Uwe auf die Bühne. So konnten sie sich alle gemeinsam mit zwei Verneigungen von uns feiern lassen. Bevor sie entgültig das "Feld" räumten, erhielten sie von Mitarbeitern des König-Albert-Theaters jeder einen Blumenstrauß, mit dem sie winkend verschwanden. Noch eine kleine Weile ließen wir Fans das ganze auf uns wirken, bevor wir uns auch voneinander verabschiedeten. Ein rundherum gelungener Abend war die einhellige Meinung aller, mit denen ich gesprochen habe. PUNTO brachte uns dann ohne Zwischenfälle bei zwei Staats- und sechs Ländergrenzüberschreitungen in zwei Stunden zurück in die Heimat.



Text, Foto und Videos: Andreas Hillebrand


Am 5. Mai war es soweit, wir fuhren nach Bad Elster zum "Samt und Seide" Konzert von Julia Neigel. Das Besondere an diesem Konzert waren die Gäste, nämlich Maschine und Uwe Hassbecker. Gegen 18:45 Uhr betraten wir das König Albert Theater, welches fein und auch irgendwie edel daherkam. Tolles Ambiente, aber 1. Zweifel meinerseits, ob denn hier so richtig Stimmung aufkommen sollte. Sehr positiv möchte ich anmerken, dass es keinerlei Absperrung gab und die Fans in der 1. Reihe das Konzert wirklich hautnah miterleben konnten. Wir plazierten uns in Reihe 6.

Pünktlich 19:30 Uhr betraten die 2 Gitarristen, gefolgt von Julia, die Bühne, wobei Uwe Fischer vielen von euch sicher bekannt ist. Julia begann das Programm auch sehr stimmgewaltig und ausdrucksstark. Für mich war es anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, denn eigentlich besuche ich fast nur Rockkonzerte. Recht bald merkte ich, dass mein Fuß im Takt mitwippte. Was erlebte ich da? War es eine Mischung aus Evergreen, Blues, Soul und Gospel? Schnell wurde mir klar, dass man Julia musikmässig gesehen, in keine Schublade stecken konnte. Nach etwa einer Stunde ging es in die Pause.

Im 2. Teil des Konzertes folgte dann der schon ersehnte Auftritt von Maschine und Hassbe. Die Beiden betraten die Bühne und erlebten einen grandiosen Empfang. Sie begannen gemeinsam mit Julia mit "Regen". Ja, irgendwie muss ich Maschine an dieser Stelle Recht geben, einen Song mitsingen kann jeder, aber pfeifen? Ich kann es noch immer nicht. Mein persönliches Highlight des Abends war "November im Mai". Dieser Song passte perfekt ins Programm. Das Publikum stand und tobte. Dies sollte sich auch bei den nun folgenden Puhdys Klassikern nicht ändern. Das altehrwürdige König Albert Theater erlebte Stimmung vom Feinsten, welche bei Songs wie den "Eisbären" auch irgendwie vorprogrammiert ist. Den Übergang von "Was bleibt" zu "Auf das Leben" erlebte ich mal wieder mit dicker Gänsepelle. Ohne Zugabe kamen Maschine und Hassbe natürlich nicht von der Bühne. Zu Ende des Programms verwandelte Julia das König Albert Theater in einen großen Gospelchor.

Mein Fazit: Wir erlebten einen sehr gelungenen, abwechslungsreichen Abend auf sehr hohem Niveau. Julia führte perfekt und publikumsnah durchs Programm. Maschine und Hassbe sorgten für das rockige Highlight. Das Personal war super freundlich, zum Fotografieren durfte man an den Seiten ungehindert nach vorn gehen, wo ich auch tanzend mit Handy in der Hand große Teile des Maschineauftritts verbrachte. Ach ja, irgendwie litt dadurch mal wieder die Qualität meiner Fotos, aber am Stillstehen arbeite ich noch, versprochen!

Text: Gabi Riedel